
Livemusik, tanzende Körper, reale Orte – und was dann passiert
Sie befinden sich mitten in einer Menge Mensch. Sie befinden sich in einer CROWD
Eine CROWD ist das, was Sie erleben, wenn Sie das Haus verlassen. Menschen, die Sie kennen, Menschen, die Sie kennenlernen wollen, Menschen, die Sie nicht interessieren. Sie sehen: ein Wimmelbild aus Menschen in ständiger Bewegung, einen Körper aus Körpern, ein Orchester aus Stimmen, Leibern und Klängen.
Niemand dirigiert diesen Tanz, bei dem alle etwas anderes suchen, einander ausweichen, reden, ein Glas heben. Egal, ob sich Geflüchtete versammeln oder Reiche. Egal, ob es Angestellte einer Firma sind oder Gäste einer Hochzeit. Was passiert, nennt man Stigmergie.
Stigmergie ist eine Form der Selbstorganisation. Sie erzeugt komplexe, möglicherweise intelligente Strukturen ohne jeglichen Bedarf nach Planung, Kontrolle oder auch direkter Kommunikation zwischen den Beteiligten.
In Hamburg gilt der stolze Spruch „Kein Herr über mir, kein Knecht unter mir“.
Stattdessen: Alle folgen allen. Denn nie befindet man sich in einer Situation, die man in Gänze allein abschätzen kann. Man schaut, was andere tun. Man folgt anderen bis zu dem Punkt, an dem sich eine bessere Gelegenheit ergibt. Es wird: improvisiert.
Man braucht dazu keinen besonderen Ort, keine stille Theateratmosphäre, keine Kartenkontrolle, keinen Aufwand. Die CROWD entsteht überall, in Unterkünften von Geflüchteten ebenso wie im Salon einer Villa, in jedweden Aufenthaltsorten und Begegnungsräumen, in allen Institutionen und außerhalb. Die CROWD wird nicht aufgeführt, sie findet statt. Und doch:
Vertraute Räume werden andere, vertraute Körper zeigen unbekannte Seiten, vertraute Geräusche werden zu Symphonien.
Erst wer sich bewegt, erfährt etwas
Die CROWD entsteht aus tanzenden Körpern, aus Klangkörpern, in Baukörpern. Die CROWD reagiert. Die CROWD improvisiert, rebelliert, verbessert, verändert. Immerzu. Wie die Gesellschaft. Darum funktioniert die CROWD.
Die Kunst nennt das eine Echtzeitkomposition, eine Musik-Tanzimprovisation, eine ebenso radikale wie präzise Performance.
Die Politik bezeichnet es als Teilhabe, als unverstellten Zugang zur Kultur, als eine integrative, barrierefrei Maßnahme gern auch in soziopolitischen Spannungsfeldern.
Die CROWD ist vor allem: mutig, absolut im Moment, notwendig im Sinn einer Not, die wendig macht. Die CROWD ist herausfordernd, entscheidungsfreudig, ehrlich zu sich und zu anderen. Genau das wird gebraucht an Orten mit wenig Zugang zu Kunst und Kultur. Auch in Arbeitswelten. Auch in der Politik. Es geht um Wachheit, Risikobereitschaft, genaues Zuhören, genaues Reagieren, genaues Zeigen. Akzeptieren der Veränderungen, kein Starren auf einen leeren Bildschirm. Radikales Entscheiden mit dem Körper. Keine Vermutungen, keine Erwartungen. Brennendes Verlangen. Let’s take the risk.